WHEN GRAVITY HITS AND HANGOVERS ARE REAL.

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Dirty Thirty

FCK NZS – Was ein hässliches Graffiti über meine Nachbarn enthüllt

Die Geschichte einer verschandelten Hauswand und dem wahren Gesicht meiner Nachbarn…

Der Vermieter 

Ich stehe mit drei Einkaufstüten und einem Sixpack Bier vor der Haustür, es dämmert und ich sehe nichts. Erstmal Licht im Treppenhaus anmachen, logisch. Ich jongliere die Tüten und das Bier und drücke mit dem großen Zeh auf den Lichtschalter – nichts. “Geizhals!“, hallt meine Stimme durch das gesamte Treppenhaus. Ich ertaste die Treppenstufen und komme schließlich unverletzt in unserer Wohnung an – arschkalt. “Doppelgeizhals!“, schreie ich so laut, dass es der über uns wohnende Vermieter hören kann. Zu geizig für das Licht im Hausflur in der Abenddämmerung, zu geizig für eine dauerhaft funktionierende Heizung bei eisigen Außentemperaturen (richtig mies im Homeoffice). Von dieser alten, sparsamen Schule sind viele deutsche Herr- und Frauschaften, die eine Nachkriegszeit voller Verzicht und Misstrauen erlebt haben (so zumindest laut Geschichtsbuch und Google, ich finde es einfach nur arschig).  

Das Mehrfamilienhaus inmitten des Immobilienalptraums Frankfurt lässt darauf schließen, dass mein Vermieter und sein nicht weniger ‘charmanter‘ Sohn (mit Frau und Kind) ein Vermögen in Millionenhöhe besitzen. Als wir uns vor etwa fünf Jahren als kinderloses Paar auf unsere Wohnung beworben haben, hatten wir 150 ‘Konkurrenten‘. Nur wenige wurden eingeladen, so die Aussage der strengen Vermieter-Jury.  

Der Nörgler – ich nenne ihn Wolfgang  

Jogginghose, Adiletten, Micky Mouse Pullover mit Marmeladenflecken. In offizieller Homeoffice-Uniform bringe ich den Müll raus und treffen ‘den Nörgler‘ aus dem Erdgeschoss. Auch er beschwert sich über fehlendes Licht und kalte Heizungen. Zusätzlich sagt er: 

Wir schließen jetzt immer das Hoftor ab, nur damit ihr’s wisst.” 

Ich frage: 

Aha. Wieso das?” 

Er antwortet: 

Da hat nachts wieder einer in den Hof geschissen.” (lol) 

Ich setze meinen seriös empörten Gesichtsausdruck auf. 

Weißte, seitdem damals schon die Jugoslawen herkamen nach dem Krieg geht das schon so. Dieses Pack, ne, was hier so rumläuft, da kann man keinem trauen.” 

Ich verlasse den Hof und schließe das Hoftor ab. 

Der Homophobe 

Es klingelt, der freundlich DHL-Bote, mit dem ich seit Pandemiebeginn eine innige Freundschaft hege, kommt die Treppen hochgelaufen. Er hat nicht nur meine heiß ersehnten Schuhe dabei, die ich in diesen Zeiten sowieso niemals tragen werde, sondern auch ein Paket für meinen Nachbarn gegenüber. Gleichzeitig öffnen wir unsere Wohnungstüren und kommen ins Gespräch.  

Er sagt: 

Ich habe heute Urlaub.” 

Ich sage: 

Cool, da kann man endlich auch mal Dinge erledigen, zu denen man sonst nicht kommt. In Ruhe Sport machen zum Beispiel.” 

Er antwortet: 

Ja, das stimmt, ich werde auch nachher ins Fitnessstudio gehen.” 

Ich wieder: 

Toll… Ja, mein Mann hat sich jetzt im Fitnessstudio Fitness Second (haha) angemeldet, er ist richtig begeistert, es gibt sogar ein Schwimmbad.” 

Mein Nachbar verzieht das Gesicht und spricht wie ein Verschwörungstheoretiker mit Aluhut: 

Boah, ne, ey, in dem war ich mal, da sind nur Schwuchteln, nur Homos! Die machen da überall rum! In der Dusche ey, und in der Sauna, richtig eklig. Nur so Homos, da geh’ ich nicht mehr hin.” (gekürzte Version, er hat richtig ausgeholt) 

Ich verschwinde mit meinen Schuhen in der Wohnung. Ich ärgere mich noch heute über meine Untätigkeit in dieser skurrilen Situation.  

FCK NZS 

Sonntagmorgen, wir schlafen noch. Ich werde geweckt durch die engelsgleiche Brüllstimme des Vermieters, der auf seinem Balkon (why?) ins Telefon kommandiert:  

Ja, hallo, ich möchte Anzeige erstatten. Mein Haus wurde heute Nacht angesprüht. … Mit Graffiti.” (lol) 

Von Neugier übermannt bringe ich den Müll raus (im Schlafanzug). Neben den Klingelschildern, die allesamt durch deutsch klingende Nachnamen geziert werden, steht in hässlicher Spray-Schrift: 

FCK NZS 

Ich mache ein Erinnerungsfoto und gehe wieder rein. Tage vergehen und ich denke mir nichts dabei. Hier hat sicher ein Lausbub’ (oder eine Lausbübin?) das Taschengeld für eine Sprühdose ausgegeben und nachts wahllos Hauswände ‘verziert‘, um wahlweise gegen das System, die Eltern, den Gymnasialzweig, die auferlegten Tommy Hilfiger Poloshirts etc. zu rebellieren. Doch dann – mein Geistesblitz: Gibt es nicht doch etwas Wahres an diesem Kunstwerk, ob Absicht oder nicht? 

Ein Haus im höchst gentrifizierten Stadtteil. Die zehn Parteien werden allesamt bewohnt durch westliche Menschen mit mehr oder minder akzeptabler Bildung (Wolfgang ausgenommen) und ausreichendem Einkommen. Homophobie und Intoleranz spuken durch den Hausflur (siehe oben). Die Vermieter: So stur und ‘deutsch‘ wie man es sich nur vorstellen kann (was auch immer das im Detail heißen mag).  

Mir wird klar, dass sich unter den 150 Bewerbern damals alle möglichen Menschen mit unterschiedlichster Herkunft und unterschiedlichen Lebensmodellen befunden haben müssen. Ob diese eingeladen wurden, wage ich nach und nach zu bezweifeln. Zwar würde ich niemanden in unserem Haus mit rechten Idealen in Verbindung bringen, doch ich habe zu spüren bekommen, dass Vorurteile gegenüber anderen Menschengruppen bestehen. ‘FCK NZS‘ – wer hätte gedacht, dass mich ein hässliches Graffiti auf den Boden der Tatsachen zurückholt. Dass es mir klar macht, dass ich im ‘homogenen Haus’ nicht auffalle, weil wir mit unserem Nachnamen und unserem Aussehen ins Raster der gewünschten Bewohner passten. Danke also an den talentlosen Hobby-Sprayer / die talentlose Hobby-Sprayerin, dass ich im Alltag nun nachhaltig zu mehr Wachsamkeit angehalten bin in der Hoffnung, dass auch in unserem Haus demnächst mehr Diversität einkehrt und Vorurteile verschwinden (Ehrenwort, gegen den homophoben Hipster setze ich mich zur Wehr)… 

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Travel Tales

Coronawandern – Wie wir mit 30 unsere Freizeit verbringen

Coronawandern sollte in Betracht gezogen werden für das Unwort unseres sonderbaren Jahres 2020. Es beschreibt ein völlig neues Heimatgefühl, das gezwungenermaßen bei einer ganzen Generation aufkommt. Nämlich der Generation, die sich im Urlaub normalerweise eher im Yoga-Retreat auf Bali, im Surfcamp in Australien oder auf Safari in Tansania tummelt. Dieselben Leute stehen nun – gefühlt alle auf einmal – in einer immer länger werdenden Schlange vorm Globetrotter-Megastore um die Ecke. Hornbrillen, Holzfällerhemden und überteuerte Rucksäcke mit Fuchslogo (können die was?) soweit das Auge reicht. Allen ist eines gemein: Sie wollen hinaus in die Na(h)tur – Coronawandern! Ich stehe mittendrin in der Hoffnung auf ein hippes Paar Wanderschuhe.

Denn auch uns treibt es pandemiebedingt immer öfter ins wunderschöne Umland Frankfurts. Raus aus der Stadt, rein in die Natur! Bereits unsere erste Wanderung wird ein voller Erfolg, der Suchmaschine sei Dank. Wir entscheiden uns für die Drei-Gipfel-Tour im Taunus – anspruchsvoll, aber machbar für alle mit stabiler Waden- und Oberschenkelmuskulatur.

Ausgestattet mit ausreichend Proviant (kein Schnaps) und – in meinem Fall – neuen, hippen Wanderschuhen starten wir am Wanderparkplatz Große Kurve unseren etwa 14 Kilometer langen Ausflug. Top motiviert ahnen wir noch nicht, dass es in der ersten Stunde ziemlich steil bergauf geht, weshalb uns wohl kaum Mitstreiter begegnen. Es fühlt sich wirklich ein bisschen an wie Urlaub, als wir die erste Zwischenetappe auf dem Großen Feldberg erreichen (880 Meter hoch, super Aussicht). Das Wetter spielt mit und die Sonne kommt raus, was natürlich prima ist für’s Insta-Profil (würde ich ja sonst nie offen zugeben). Wir machen kurz Pause, philosophieren darüber, wie schön die Natur vor der Haustür doch ist und trinken einen Glühwein. Herrlich!

Weiter geht’s durch den Wald, ich mache noch mehr Fotos (siehe unten), mein Mann findet’s total nervig, da muss er jetzt durch. Auf dem Weg zum recht unspektakulären Gipfel des Kleinen Feldbergs kommen wir am Ausflugslokal Fuchstanz vorbei und kurz werde ich auf den Boden der Corona-Tatsachen zurückgeholt: Wie schön die Zeiten doch waren, in denen wir uns einfach in ein Restaurant setzen konnten. Jetzt ist alles zu. Zum Glück haben wir an unsere selbstgeschmierten Butterbrote gedacht, die wir auf dem Altkönig, dem mit Abstand schönsten der drei Gipfel, auspacken. Zum hundertsten Male an diesem Tag stelle ich fest, wie schön unsere Heimat ist.

Der Rückweg verläuft mitten durch den idyllischen Wald, häufig vorbei an gut ausgebauten Wanderwegen. Die Navigation führt uns stattdessen immer wieder über dicht bewachsene Schleichpfade und befeuert einmal mehr die Illusion, Teil des Pfadfindercamps zu sein – und der Natur so nah.

Alle Details zur Strecke sowie eine gut funktionierende Navigation findet ihr, wenn ihr dem Link folgt (keine Werbung, einfach sehr gute Infos). Viel Spaß beim Coronawandern!

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