Vor etwa sechs Jahren hatte ich ein romantisches Date mit meinem heutigen Ehemann. Romantisch deshalb, weil wir bei Kerzenschein eine Flasche Morio Muskat (2,19 € bei REWE ganz unten im Regal) getrunken und von Urlauben geträumt haben, die zu dieser Zeit unerreichbar schienen. Wir waren arm wie mittelständische Kirchenmäuse inmitten des BWL Studiums und konnten uns nicht vorstellen, dass wir uns jemals Reisen leisten können, die über unseren FlixBus Trip nach Leipzig hinausgehen. An diesem Abend haben wir das erste Mal über Namibia gesprochen und seither nie wieder aufgehört. Nichts wusste ich damals über das Land, das bis heute noch nicht alle akademischen Ü30er der westlichen Welt empfangen hat wie sein Nachbar Südafrika.
Rund fünf Jahre sollte es dauern, bis wir tatsächlich unsere Koffer packten und die Hochzeitsreise ans lang ersehnte Ziel antraten (hätte mir damals jemand bei besagtem Glas Morio gesagt, dass ich mal heiraten würde, hätte ich den guten Wein vor Lachen übrigens wieder ausgespuckt – aber das ist eine andere Geschichte…).
3.000 Kilometer durch Namibia
Es ist Mitte November und der winterlichen Kälte trotzend starten wir mit Air Namibia gen Windhoek. Der Direktflug bietet mir wahre Todesangst nach filmreifen Turbulenzen auf der einen Seite, auf der anderen Seite gibt es leckeres Essen und die schönste Aussicht bei der Landung im Sonnenaufgang. Wir haben drei Wochen Roadtrip vor uns und beginnen diesen erstmal übermüdet in der namibischen Hauptstadt im idyllischen ‘Olive Grove Guesthouse‘: Ein Boutique Hotel, von dem wir nach kurzem Nickerchen zu Fuß die Innenstadt samt Christuskirche, Reiterdenkmal und Parlamentsgarten erkunden. Etwas befremdlich fühlt es sich schon an, die recht junge Kolonialgeschichte auf Schritt und Tritt zu spüren und überall Relikte der deutsch geprägten Vergangenheit zu sehen. Wichtige Randnotiz: Wenn ihr euer Wissen auffrischen wollt über dieses traurige und nicht unwesentliche historische Fuck-up, folgt dem Link in die Mediathek (keine Werbung natürlich).

Zurück zum Reisebericht: Das Highlight des ersten Tages folgt abends in Joe’s Beerhouse, einem klischeebehafteten Touristenmagneten mit Bayer Leverkusen Fanschals in der einen und haufenweise Jägermeister Souvenirs in der anderen Ecke. Was für deutsche Wirte den Stempel ‘Kaschemme‘ bedeuten würde, hat hier etwas Magisches. Auch, weil es viele Einheimische hierhin verschlägt. Das Essen ist – insbesondere für mich als Vegetarierin – mittelmäßig, die Atmosphäre hingegen hervorragend. Der richtige Start also für unser Abenteuer, das am nächsten Morgen erstmal mit einer kleinen Überraschung starten sollte…
Auf nach Sossusvlei
“Da leuchtet die Lampe mit der Ölkanne.”
“Quatsch, kann nicht sein, das Auto hat erst 6 Kilometer drauf.”
“Doch, doch, schau mal, wir sollten mal den Ölstand prüfen.”
“Du spinnst doch, die Lampe ist bestimmt defekt.”
20 Minuten später sind wir dem Totalschaden knapp entkommen, als man uns an einer Tankstelle bestätigt, keinen einzigen Tropfen Motoröl in der Karre zu haben. Wäre unangenehm geworden in der verlassenen Prärie Namibias, in der wir uns schon wenig später befinden würden.
Mit frischem Öl geht es also raus aus der Stadt und auf die Schotterstraßen, die uns in den bevorstehenden Wochen begleiten werden. Langsam wird klar, wieso Allradantrieb und riesige Offroad-Wagen Pflicht sind bei einer solchen Rundreise und uns niemand mit einem Fiat 500 entgegen kommt. So brauchen wir für 100 namibische Kilometer gleich zwei bis drei Mal so lange als auf deutschen Autobahnen (auch wenn Google Maps etwas anderes behauptet). Bereits auf dem ersten Teilstück von Windhoek nach Sossusvlei gilt demnach das Motto: Der Weg ist das Ziel. So sind wir auf der langen Fahrt sprachlos beim Anblick der surrealen Landschaften. Natur soweit das Auge reicht, keine Menschenseele in Sicht, “Fotostopps” in regelmäßigen Abständen.

Und dann: Ganz unscheinbar weist ein in die Jahre gekommenes Schild auf ‘Conny’s Coffee Shop‘ hin. Wir folgen ihm und dies sollte eine der besten Entscheidungen werden. Ein simples Café erwartet uns in der Idylle der Abgeschiedenheit. Wir sind die einzigen Gäste bei Günther. Er setzt sich zu uns auf die Veranda an den liebevoll gedeckten Tisch und serviert den besten Kaffee Afrikas gemeinsam mit spannenden Geschichten über Kaffeekultur und seine namibisch-deutsche Vergangenheit. Die Tische sind liebevoll hergerichtet, ich esse ein Stück Marmorkuchen und aus einer kurzen Pause wird eine ausgedehnte Rast mit unvergleichbarem Glücksgefühl. Manchmal im Leben werden wir eben doch belohnt indem wir den kleinen und unscheinbaren Pfaden folgen.
Wir machen uns auf in die erste der vielen Lodges, von deren Luxus wir Jahre zuvor vage geträumt hatten. Die Desert Homestead Lodge in Sesriem sollte außerdem die Unterkunft sein, in der ich am nächsten Tag meinen dreißigsten Geburtstag feiern würde. Wir parken also unser frisch mit Öl befülltes Gefährt und werden nicht enttäuscht: Begrüßt von liebevollen Menschen gönne ich mir den ersten Cocktail, schaue in die Ferne und denke, dass der nahende Tag des Älterwerdens wohl doch nicht so schlimm werden würde wie einst angenommen…
Happy Birthday
Das Ereignis, vor dem ich mich seit meinem fünfzehnten Lebensjahr fürchtete, ist eingetroffen. Mein Mann weckt mich um 6 Uhr morgens, denn frühes Aufstehen soll im Alter ja bekanntlich leichter sein (kleiner Scherz am Rande). Außerdem soll es auf den bereits im Reisebüro gebuchten ‘Champagne Morning Ride‘ gehen, um den Tag schon morgens mit ein paar Promille erträglicher zu machen. Ich freue mich sogar, erwarte ich doch einen offenen Jeep, der mich durch die atemberaubende Landschaft karrt. Doch… Moment mal… wieso steht da ein Pferd? Und wieso soll ich mir für meinen wohlverdienten Jeep-Ausflug einen Helm anziehen? Und warum überhaupt guckt mich dieses Pferd so erwartungsvoll an???
“Hi, welcome to your champagne morning ride!”
Fuck.
Ein wie der Marlboro-Mann anmutender Reitlehrer winkt mich zu sich. Zugegeben, ein Pferdemädchen war ich nie, bei meiner einzigen Reitstunde als Kind hat mich das Pferd würdevoll abgeworfen. Die Romantik Afrikas und der Ausblick auf ein Glas Champagner lassen mich dann doch aufsteigen und was soll ich sagen: War ganz nett (vor allen Dingen der Champagner natürlich…).

Deadvlei und J.Lo
Bleiben wir bei Pferden. Da wir ja bereits um 6 Uhr morgens aufgestanden sind, um uns von einem Pferd im Schritttempo durch die filmreife Kulisse Namibias tragen zu lassen, bleibt danach genügend Zeit für einen weiteren Ausflug. Sossusvlei, das eigentlich Highlight der Gegend des Namib-Naukluft-Parks, ist eine von riesigen roten Dünen umschlossene Salzpfanne und liegt etwas 1,5 Autostunden entfernt von unserer Lodge – in namibischen Distanzen gesprochen also ein Katzensprung. Dort befindet sich das wohl noch berühmtere Deadvlei, durch das Jennifer Lopez in der Intro von ‘The Cell‘ auf einem – Achtung – Pferd geritten ist. Hier schließt sich der Kreis und mein dreißigster Geburtstag sollte mit diesen Eindrücken unvergesslich werden.
Von anderen Hotelgästen hören wir bei einem abendlichen Hotelplausch, dass eine Ballonfahrt bei Sonnenaufgang über die roten Dünen ebenfalls empfehlenswert ist. Vielleicht wird dies beim nächsten Mal die etwas abgewandelte Art unseres ‘Champagne Morning Ride‘…
Reiseroute
Bleibt dabei für mehr Infos zu unserer atemberaubenden Reise mit den nächsten Etappen in Swakopmund, Walvis Bay, Vingerklip, Etosha, Otjiwarongo und Omaruru.
Alle gesammelten Infos, Links und Bilder zu unserer Route folgen in Teil 2.
